Die Frage im Titel ist eine heftig diskutierte, nicht zuletzt, da sie auch die Frage nach dem freien Willen des Menschen beeinflusst. Wie viel unseres Lebens ist vorherbestimmt, wieviel das Produkt unserer bewussten Entscheidungen?
Generell sieht es für den freien Willen nicht gut aus. So habe ich vor Jahren bereits Artikel gelesen, die nahelegen, dass die Entscheidungen von unserem Unterbewusstsein getroffen werden, und das Bewusstsein dann nur noch den Pressesprecher macht. Selbst wenn das nur zum Teil stimmt, so wird die Freiheit unseres Willens wohl vor allem davon bestimmt, wie das Unbewusste zu seinen Entscheidungen kommt.
Dieser Artikel legt nahe, dass wir wesentlich mehr von unserem genetischen Code gesteuert werden und damit von dem Erbe unserer Eltern, als uns das oft lieb sein mag. Insbesondere, weil der Artikel feststellt, dass die Erziehung durch die Eltern ja von deren Verhalten und damit deren Erbanlagen bestimmt ist, womit auch die Erziehung genetisch ist.
Wie so oft bei solchen wissenschaftlichen Erkenntnissen (und egal ob weitere Forschung sie belegt oder entkräftet) ist der Streit darum deshalb so erbittert, weil er politische Positionen stärkt oder ihnen widerspricht. Je nachdem, wo man politisch steht. Denn je stärker der Einfluss der Genetik, desto mehr ist der akademische Erfolg von Akademikerkindern „natürlich“ und nicht Folge einer „unterdrückenden, ungerechten Gesellschaft“. Ähnliches gilt für Positionen des Feminismus, denn ein genetischer Unterschied zwischen den Geschlechtern ist ja weitgehend unbestritten. Oder wie ist das mit den LGBTI? Wenn das alles genetisch und damit „natürlich“ ist, dann ist das auch nicht „abartig“ oder verwerflich.
Und was ist mit dem Strafrecht? Je weniger freien Willen wir haben, desto weniger sinnvoll wird Strafe. Einzig den „Erziehungsanteil“ eines Urteils kann man dann noch rechtfertigen, sowie möglicherweise den Schutz anderer Personen durch „wegsperren“ eines genetisch zur Straftat veranlagten…
Ich plädiere in diesem Kontext wieder für mehr Gelassenheit und einer „Entpolitisierung der Wissenschaft“: ob wissenschaftliche Theorien richtig, falsch oder teilrichtig sind, ist zunächst etwas, das die Wissenschaft unter sich ausmachen sollte. Wenn sich dann eine Theorie als vermutlich wahr rauskristallisiert (bei strenger Anlegung wissenschaftlicher Prinzipien gibt es keine endgültige Wahrheit, nur besonders wahrscheinliche Theorien), dann ist es Aufgabe der Politik, zu entscheiden, was man aus dieser Erkenntnis macht. Und darüber dürfen wir in demokratischen Gesellschaften dann wieder nach Herzenslust streiten. 😉