Wie uns der Staat zu den Idioten macht, für die er uns hält

Jan Fleischhauer ist ein Kolumnist bei Spiegel Online, mit dem ich häufig nicht einer Meinung bin. Er sieht sich selbst als klassisch Konservativ (zumindest nehme ich das an, da er seine Kolumne „der schwarze Kanal“ nennt) und vertritt oft Positionen, gerade bei Themen wie innerer Sicherheit oder Netzpolitik, die sich mit meinem tendenziell eher liberalen Weltbild nicht vereinbaren lassen.

Immer wieder schreibt er aber auch Beiträge, die in meinen Augen viel richtiges enthalten. Aktuell hat er darüber philosophiert, dass der Staat mehr und mehr in die privaten Bereiche des Lebens reinreguliert.

Nun gibt es bei vielen Themen verschiedene Positionen. Er führt als ein Beispiel für übertriebene Regulierungswut das Thema Rauchen an, das ich selbst für ein schwieriges Feld halte. Wer säuf, oder Koks schnupft oder Heroin spritzt oder Extasy schluckt, schadet in aller Regel vor allem sich selbst. Beim Rauchen ist es etwas komplexer, denn der Tabaksrauch wirkt auch auf die Umgebung ein, und sei es auch nur als Geruchsbelästigung. Ich bin Nichtraucher und habe rauchende Nachbarn in den Wohnungen unter mir, und wenn diese auf Balkon oder Terasse rauchen, zieht der Rauch bei mir rein, wenn ich die Fenster offen habe oder selbst auf dem Balkon bin. Das ist ärgerlich, allerdings akzeptiere ich das zähneknirschend, denn wo sollen sie denn sonst noch rauchen? Auch die Terassen von Cafés oder Lokalen sind für mich nur eingeschränkt nutzbar, da gutes Essen oder leckere Kuchen leider nur selten besser werden, wenn sich Zigarettenrauch dazugesellen.

Aber ist diese Situation durch die Verbote besser geworden? Oder nicht eher schlimmer? Vor den so genannten Nichtraucherschutzgesetzen war relativ klar, wenn ich in eine Kneipe gehe, dann wird dort geraucht und man kann die Luft in Blöcken raustragen. Umgekehrt hatten viele (größere) Speiselokale getrennte Raucher- und Nichtraucherzonen, oft auch auf den Terassen. Das hat nicht immer perfekt geklappt, aber die Idee war die richtige: Wenn ich weiß, was mich erwartet, habe ich eine Wahl. Die strengen Verbote haben aber diese Wahl vernichtet, denn der Raucher darf nirgends mehr drinnen rauchen und der Nichtraucher wird draußen nur mehr selten rauchfreie Bereiche finden.

Aber ich schweife ab. Denn, wenn man das Rauchen ein wenig außer acht lässt, hat oben genannte Kolumne in vielen Punkten recht: unser Staat reguliert immer mehr und verbietet und reglementiert Bereiche, bei denen das überhaupt nicht nötig wäre. Gleichzeitig unternimmt er nichts, um uns die Chance zu geben, uns wirklich zu mündigen Bürgern zu ermächtigen: Klare, eindeutige Kennzeichnungen. Ein Schild am Eingang des Lokals „Raucherlokal“/“Nichtraucherlokal“ (und das dann bitte auch auf der Terasse) und ich habe eine Wahl, kann eine Entscheidung treffen. Die viel diskutierte Lebensmittelampel geht schon wieder in die Richtung, dass der Staat vorgibt, was gut für Dich ist und was nicht. Das kann aber völlig falsch sein, denn für so manchen Allergiker ist Vollkorn hochgiftig, das oh so ungesunde „Weißmehl“ aber gut verträglich. Und wer stark untergewichtig ist, sollte dringend mehr Zuckerhaltige Lebensmittel konsumieren.

Und Lebensmittel sind da bei weitem nicht das einzige: Mein neuer MP3-Player lässt keine höheren Lautstärken als 80dB oder so zu, damit ich meine Ohren nicht schädige, wenn ich ihn auf eine Region innerhalb der EU einstelle. Das dumme ist nur, dass er dabei offensichtlich auf Basis einer bestimmten Aussteuerung arbeitet. Denn während bei der gegebenen Maximalaussteuerung manche Lieder kaum zu hören sind, sind andere bereits bei niedrigerer Einstellung viel zu laut. Das ist also eine völlig unbrauchbare Grenze.

Und dieses „regulieren statt informieren“ greift ja viel weiter. ACTA, CETA, TTIP: all diese Abkommen wurden und werden hinter verschlossenen Türen diskutiert. Wie soll der Bürger (der oberste Souverän, denn „alle Macht geht vom Volke aus“, Art. 20(2) GG) sich denn eine Meinung zu diesen Abkommen bilden, wenn er nichts über ihren Inhalt erfährt? Wie sollen seine Stellvertreter, die Parlamentarier denn sinnvoll miteinander, den Bürgern und der Regierung diskutieren, wenn sie von den Verhandlungen ausgeschlossen sind? Wenn sie am Ende nur mehr „Ja“ oder „Nein“ sagen dürfen, aber an der Entscheidungsfindung nicht beteiligt werden, dann stimmen sie schnell mal nach Parteizugehörigkeit ab, anstatt nach Inhalten.

Und wenn die Regierung jede wichtige Entscheidung als „alternativlos“ bezeichnet, findet die politische Debatte, die grundlage einer Demokratie, plötzlich nicht mehr statt.

Und der somit unmündig gemachte Bürger geht am Ende nicht mal mehr wählen. Denn er hat ja gar keine Wahl mehr.

Mutti weiß schon, was gut für Euch ist…

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