Schlagwort-Archive: #Terror

„Wir sind nicht charlie, wir sind nicht mal nah dran.“

Alle Welt will dieser Tage Charlie sein. Das ist natürlich eine schöne Solidaritätsbekundung und ist in dieser Masse ein ordentlicher Schlag ins Gesicht der Terroristen, die wohl eher das Gegenteil ihres Zieles erreicht haben: Charlie Hebdo hatte mit massiven finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen und erschien bisher in eher geringer Auflage, durch die Welle der Solidarität und das damit verbundene Interesse werden es diesmal wohl fünf Millionen. Das macht die Toten nicht wieder lebendig, aber es sichert vorerst die Existenz eben jenes Magazins, das die Attentäter vernichten wollten.

Aber ist diese Aussage „ich bin Charlie“ überhaupt gerechtfertigt? Vielleicht eher nicht:
wir sind nicht charlie, wir sind nicht mal nah dran

Und sonst? Da marschiert die politische Elite der Welt Arm in Arm um die Pressefreiheit zu unterstützen. Und dann predigen sie doch alle wieder „Sicherheit durch Überwachung“, wie wichtig doch die Vorratsdatenspeicherung ist und dass das mit dem Grundrechtseingriff doch gar nicht so wild sei. Kleine Auswahl gefällig? Bitte sehr:

CSU fordert Voratsdatenspeicherung nur einen Tag nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo.

Innenminister De Maiziére findet, die Voratsdatenspeicherung sei gar nicht so schlimm.

Kanzlerin Merkel schließt sich Forderungen nach der Voratsdatenspeicherung an.

Aber das sind tatsächlich nur aufgewärmte alte Vorschläge. So ein Anschlag mitten in Europa, da könnte man ja auch Projekte vorantreiben, die zuletzt ziemlich auf Eis lagen, weil das EU-Parlament Bedenken hat. Oder sich etwas ganz Neues ausdenken, David Cameron – immer für Überwachung zu haben – legt mal wieder vor:

Falsche Schlüsse im Mutterland der Videoüberwachung – Cameron will Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verbieten.

Und natürlich schließen sich die üblichen Verdächtigen sofort wieder an, namentlich z.B. Barack Obama oder natürlich wieder unser Innenminister, der mit einem schiefen Vergleich mal wieder zeigt, dass er keine Ahnung hat, warum Hintertüren in der Krypto ein Problem sind:

„[…] beim Schutz des Hauses, beim Schutz des Autos. Überall raten wir zu Sicherheit: Man soll sein Haus verschließen, man soll eine Alarmanlage einbauen, man soll ein sicheres Auto kaufen, und trotzdem hat die Polizei selbstverständlich das Recht, unter bestimmten rechtsstaatlichen Voraussetzungen in ein Haus einzudringen […]“

Die bessere Analogie Herr Minister wäre, wenn es an der Rückseite eines jeden Hauses eine weitere Tür gibt, bei der der Hersteller der Gebäudeserie oder der Staat einen Generalschlüssel hat, der für jede dieser zusätzlichen Türen passt. Das Problem dabei: da dieser Generalschlüssel für alle diese Türen passt, genügt es für Kriminelle einen Dietrich für eine dieser Türen zu finden, damit alle diese Häuser zugänglich sind. Das hinkt als Vergleich immer noch ziemlich, illustriert aber zumindest das Problem.

Wir müssen also mal wieder verdammt aufpassen, dass der Terror von Paris nicht als Hebel benutzt wird, um unsere Freiheit weiter zu begraben. Denn all die vielen Anti-Terrorgesetze, die seit dem 11. September erlassen wurden, haben nichts gebracht, außer unsere Rechte und unsere Freiheit einzuschränken.

US-Präsident: Obama warnt vor europäischen Dschihadisten

Wie jetzt? Überwachung kommt nicht so gut an? Die Europäer haben das Gefühl, die USA wären nicht mehr lieb und freundlich zu ihnen? Fühlen sich gar zu Unrecht ausspioniert?

Dafür braucht man dringend eine Lösung! Man muss den Menschen wieder klar machen wie wichtig Sicherheit (Supergrundrecht, ne?) ist. Die Lösung ist ganz einfach, man braucht eine Terrorbegründung, denn Terror ist schlimm, da akzeptieren die Leute fast alles dafür. Und so: US-Präsident: Obama warnt vor europäischen Dschihadisten

Na, DANN sind die ganzen Maßnahmen natürlich notwendig und dringend gebote, und es gibt keinen Grund mehr sich aufzuregen…

The Fog Machine of War – NYTimes.com

Die USA denken erneut darüber nach, im Irak militärisch einzugreifen, nachdem dieser im Chaos versinkt und die IS-Truppen der offiziellen irakischen Armee zeitweise überlegen wirken.

Doch wie es dazu kommt, warum der Irak in einer solchen Situation ist, warum Nuri al Maliki der Rückhalt fehlt und das Land zu zerbrechen droht, darüber denkt scheinbar kaum jemand nach. Zumindest nicht auf offizieller Ebene.

Wer darüber nachdenkt ist Chelsea Manning, die im Artikel The Fog Machine of War – NYTimes.com nicht nur wesentliche Überlegungen dazu ausbreitet, sondern auch aus ihrem Alltag im Irak berichtet. Darüber, dass die offiziellen Truppen der USA tatsächlich bei der Manipulation der Wahlen geholfen haben.

Wenn man bedenkt, dass die USA im Nachhinein den Krieg unter anderem dadurch zu legitimieren versuchten, „man habe ja die Demokratie in den Irak gebracht“, dann ist es doch erschreckend, dass diese anschließend weniger gefördert als behindert wurde. Das vermittelt ein Weltbild der Art: „Ihr dürft gerne wählen, solange Ihr Euer Kreuz an der richtigen Stelle macht“.

Das alles überrascht mich nicht. Aber im „Krieg gegen den Terror“ ist es eine Strategie, die am Ende vermutlich mehr Terror erzeugt, als er ohne Intervention entstanden wäre.

Und es ist ein Weltbild, dass (mal wieder) nicht zu einem Vorreiter von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten passen will, als der sich die USA so gerne sehen.

„Ich habe doch nichts zu verbergen!“ Sicher?

Offensichtlich kamen noch weitere Bausteine hinzu, aber teilweiser Auslöser eines Hausbesuches durch eine Anti – Terror-Einheit waren offensichtlich die zusammen gesetzten Suchanfragen dreier Familienmitglieder. Darunter ein Druckkochtopf und ein Rucksack:

https://medium.com/something-like-falling/2e7d13e54724

Das Problem mit der Totalüberwachung ist, dass die schiere Datenmenge die Behörden zwingt, Algorithmen die Daten filtern zu lassen. Und die schlagen dann halt auch gerne mal Alarm, wenn Dinge zusammenkommen, die für sich genommen harmlos sind.
Und in einer Gedankenwelt, in der jeder grundsätzlich erstmal verdächtig ist, schickt man dann halt gleich mal sechs Mann zum nachprüfen…